Die Hildegard-Medizin fasziniert bis heute durch ihre ganzheitlichen Ansätze und ihr Bemühen, Körper, Geist und Umwelt als Einheit zu sehen. Ein zentrales Element ist die sogenannte 4 Säfte Lehre, die den Gesundheitszustand des Menschen auf das Gleichgewicht bestimmter Körpersäfte zurückführt.
Doch könnte dieses alte Modell sogar eine erste unvollständige Erkenntnis über das Lymphsystem gewesen sein? In diesem Beitrag beleuchten wir die Verbindung zwischen Hildegards Säftelehre, dem modernen Wissen um die Lymphe und dem Säure-Basen-Haushalt.
Die 4 Säfte Lehre in der Hildegard-Medizin
Die Säftelehre basiert auf dem antiken Vier-Säfte-Modell (Blut, Schleim = Phlegma, gelbe und schwarze Galle). Gesundheit bedeutet für Hildegard von Bingen ein ausgewogenes Verhältnis dieser Säfte. Störungen im Saftgleichgewicht führten ihrer Lehre nach zu Krankheit. Besonders das Phlegma galt als feuchter, kühlender Saft – zuständig für die Befeuchtung, Kühlung und Reinigung des Körpers.
Was ist das Lymphsystem? Ein kurzer Blick auf die moderne Medizin
Das Lymphsystem erfüllt entscheidende Aufgaben im Körper:
1️⃣ Abtransport von überschüssiger Gewebsflüssigkeit
Die Lymphe sammelt Flüssigkeit, die aus den Kapillaren ins Gewebe ausgetreten ist und nicht direkt ins Blut zurückkehrt. So wird das Gewebe vor Schwellungen (Ödemen) geschützt.
2️⃣ Rückführung von Eiweißen ins Blut
Eiweiße, die durch die Kapillarwände ins Gewebe gelangt sind, werden von der Lymphe aufgenommen und dem Blutkreislauf wieder zugeführt. Dadurch verhindert die Lymphe Eiweißverluste des Körpers.
3️⃣ Transport von Fetten aus dem Darm
Die Lymphe nimmt im Dünndarm resorbierte Fette in Form von Chylomikronen auf und bringt sie über den Ductus thoracicus in den venösen Blutkreislauf.
4️⃣ Filter- und Abwehrfunktion (Immunabwehr)
Die Lymphe transportiert Antigene und Fremdstoffe in die Lymphknoten, wo diese erkannt und unschädlich gemacht werden. Sie unterstützt so das Immunsystem.
5️⃣ Transport von Immunzellen
Die Lymphe dient als Verkehrsweg für Lymphozyten und andere Immunzellen, die über sie zu ihren Einsatzorten gelangen.
6️⃣ Drainage von Zelltrümmern und Abfallstoffen
Abgestorbene Zellen und Stoffwechselreste werden über die Lymphe aus dem Gewebe abtransportiert und dem Abbau zugeführt.
7️⃣ Beteiligung an der Homöostase (inneres Gleichgewicht)
Die Lymphe trägt zur Regulierung des Flüssigkeitsvolumens und Drucks im Gewebe bei und hilft so, das innere Milieu stabil zu halten.
Erst im 17. Jahrhundert wurde die Lymphe anatomisch beschrieben. Doch viele Symptome, die man früher „verdorbenen Säften“ zuschrieb, wären heute vermutlich auf Lymphstau oder gestörten Lymphfluss zurückgeführt worden.
War die Säftelehre ein Vorgriff auf das Lymphsystem?
Auch wenn die Säftelehre Hildegards keine medizinische Entsprechung zum Lymphsystem darstellt, erinnert das Bild des Phlegmas symbolisch an Reinigungsprozesse, wie wir sie heute dem Lymphsystem zuschreiben. Obwohl Hildegard von Bingen die Lymphe als solche nicht kannte, erscheint ihre Säftelehre aus heutiger Sicht wie ein symbolischer Versuch, die Funktionen des Lymphsystems zu beschreiben:
- Das Phlegma (Schleim) könnte als früher Ausdruck dessen gelten, was wir heute als Lymphe bezeichnen.
- Hildegards Empfehlungen zur Ausleitung, z. B. Aderlass oder Schröpfen, erinnern entfernt an moderne Therapien bei Lymphstau oder zur Förderung des Abflusses von Gewebsflüssigkeit.
- Die Beobachtung von „gestauten Säften“ bei Krankheit könnte auf Symptome wie Ödeme oder Lymphstau zurückgehen.
Moderne Hildegard-Therapie für Lymphgesundheit: In der heutigen Naturheilkunde wird die Ausleitung oft mit manueller Lymphdrainage, Bewegung und gezielter Ernährung kombiniert – und mit Hildegards Ausleitungskonzepten in Verbindung gebracht.
⚖️ Säure-Basen-Haushalt, Lymphe und Säftelehre: Wie hängt das zusammen?
In der modernen Naturheilkunde wird der Säure-Basen-Haushalt oft mit dem alten Bild der Körpersäfte und ihrer Balance verglichen.
- Ein gesunder Säure-Basen-Haushalt bedeutet, dass der pH-Wert der Körperflüssigkeiten – auch der Lymphe – im Gleichgewicht bleibt.
- Übersäuerung wird heute als ein Zustand beschrieben, bei dem zu viele saure Stoffwechselprodukte im Gewebe und in der Lymphe verbleiben. Das stört den natürlichen Reinigungsprozess der Lymphe und kann den Abtransport von „Schlacken“ behindern.
Mögliche Folgen einer Übersäuerung
- Störung des Lymphflusses
- Neigung zu Ödemen (Wassereinlagerungen)
- Erhöhte Entzündungsbereitschaft
- Müdigkeit, Antriebslosigkeit
- Belastung von Gelenken und Bindegewebe
In der Säftelehre würde man dies als „Verdorbenheit der Säfte“ oder „gestaute Säfte“ bezeichnen.
Wie kann Basenpulver helfen?
Basenpulver enthält meist Mineralstoffe wie Calcium, Kalium und Natrium in basischer Form.
Sein Ziel:
- Neutralisierung überschüssiger Säuren
- Unterstützung der körpereigenen Puffermechanismen
- Förderung eines ausgewogenen Säure-Basen-Haushalts
- indirekte Unterstützung des Stoffwechsels und der Lymphe
In Kombination mit Hildegard-konformen Maßnahmen (z. B. basenreiche Ernährung, Ausleitungstherapien) kann Basenpulver Teil eines modernen Ausgleichskonzepts sein.
Fazit: Die Lymphe als modernes Erbe des Phlegmas?
Die Säftelehre war keine bewusste Beschreibung des Lymphsystems – doch sie war ein beeindruckender Versuch, innere Prozesse mit den Mitteln der damaligen Zeit zu erklären.
Heute kann die Hildegard-Medizin, ergänzt um das Wissen der modernen Lymphforschung und den Blick auf den Säure-Basen-Haushalt, ein wertvoller Bestandteil einer ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge sein.